Palagruza, der "Fastnet Rock des Mittelmeers’ ist Namensgeber und schicksalsträchtige Wendemarke der härtesten Langstreckentrophy der Adria. Orkangefährdet, nervenzehrend, mit ungewissem Ausgang – ein Thrill, in dem sich die echten Hardcore-Segler messen.


Sonntag, 11. April 2010

Höllenritt um den Palagruza Felsen, oder: Seebären müssen nicht männlich sein!

Rauhe See, stürmische Verhältnisse mit zahlreichen Havarien stehen einer neuen Rekordzeit des Siegers gegenüber – die Regatta um den Palagruza Felsen in der südlichen Adria zeigte Hochseesegeln in Reinkultur und forderte einen hohen Tribut an Mensch und Material.

Sylvia Vogl, Skipperin von Team La Vie, zu den ersten Stunden des Hochseeklassikers: „... totale Hektik und spürbare Anspannung vor dem Auslaufen, die letzten Adaptierungen am Boot um so gut wie möglich auf den vorhergesagten Starkwind vorbereitet zu sein - nach einem super Start lagen wir an der ersten Wendemarke in zweiter Position, dann haben wir leider zu stark den Daten aus unserem Wetterrouting vertraut und das Feld zu wenig gedeckt, dadurch sind unsere Hauptkonkurrenten „Sailing Team Austria“ und „Team Aquila“ in weite Ferne entwischt.“

Nach der Passage nördlich von Dugi Otok – Kurswechsel auf das offene Meer – bereits die ersten Anzeichen der berüchtigten Bora aus nördlicher Richtung. Und die Erkenntnis, daß während der ersten Nacht das im Vorfeld ausgetüftelte Wachsystem außer Kraft gesetzt und jede Hand an Deck gebraucht werden würde. Unermüdliches Spinnakertrimmen und höchster körperlicher Einsatz der Mannschaft machten sich jedoch bezahlt, und Team La Vie konnte sich wieder an die Spitze des Feldes zurückkämpfen. Kurz vor der Wertungslinie zwischen den Inseln Vis und Bisevo – mittlerweile kurz nach Mitternacht – legte der Wind dann nochmals zu und erreichte Sturmstärke, wobei Team La Vie am meisten Risiko einging und länger als die Konkurrenz mit voller Besegelung und unter Spinnaker die meterhohen Wellenberge hinuntersurfte. "Es kam der Punkt, da war das Boot unsegelbar, und ich mußte das Kommando zum Spinnakerbergen geben um Yacht und Mannschaft nicht in Gefahr zu bringen. Das Manöver war dann die reinste Harakiri-Aktion, über das Deck brechende Wellen, meine ganze Crew am Bug um dieses riesengroße Segel irgendwie herunter zu bekommen. Ich bin am Steuerrad gehangen und habe versucht das Boot zu stabilisieren, habe Angst geschwitzt, und war extrem erleichtert als der Spinnaker schließlich unter Deck und meine Mannen noch vollzählig an Bord waren" sagt Vogl über die Schreckensminuten.

Daß andere Teams die Situation weniger gut meisterten, war spätestens nach einem "MAYDAY" Funkspruch der Yacht "New York" klar, die in stockdunkler Nacht mit gebrochenem Ruder auf eine Insel zutrieb. Viele Boote hatten Materialbruch und zerfetzte Segel, an Bord von Team La Vie waren Blutblasen an den Händen der Steuerfrau Vogl die einzigen sichtbaren Schäden....

Die Entscheidung, das Rennen im Sicherheitsmodus mit stark verkleinerter Segelfäche fortzusetzen war goldrichtig, Team La Vie rundete im Morgengrauen an vierter Stelle den Palagruza Felsen. Nach der Wendemarke Mljet konnte zu Beginn der zweiten Regattanacht durch gute Windtaktik ein weiterer Gegner überholt werden, allerdings waren die vorderen zwei Boote in unerreichbarer Ferne. Das Eintreffen eines neuen Windsystems am nächsten Morgen brachte jedoch die nächste Chance, und Team La Vie konnte den Abstand zum Zweitplazierten – Aquila Sailing Team mit Skipper Christian Bayer – auf wenige Bootslängen verkleinern.

Ähnlich wie in der Ausgabe des Round Palagruza 2009 war das der Beginn eines Katz und Maus Spiels, das zwischen den unzähligen Inseln vor Biograd im Schlussakt entschieden wurde: "Es gelang kurz vor dem Ziel, uns aus der konsequenten Deckung von Team Aquila zu befreien und den Gegner auf die falsche Seite einer kleinen Insel zu lotsen – Witterung einer kleinen Chance! Allerdings hatte der regierende Hochseestaatsmeister dann doch im Finish knapp die Nase vorne, aber die letzten Stunden vor dem Kreuzen der Ziellinie waren ein spannender Zweikampf in dem wir toll mithalten konnten.“

Der Sieg des Round Palagruza Race 2010 ging verdient an das Sailing Team Austria, die tolle Teamleistung und das richtige Abschätzen von Risiko und Sicherheit bescherte Team La Vie den ausgezeichneten dritten Platz. Sylvia Vogl resümiert:“ Ich bin heilfroh, daß nichts passiert ist, und mein Team wieder heil im Hafen von Biograd ist. Wir waren in einer neuen Mannschaftskonstellation unterwegs, manche Crewmitglieder haben ähnlich harte Bedingungen in ihrem Seglerleben noch nie erlebt! Das Rennen war sehr lehrreich, und hat das Verbesserungspotential für die Zukunft klar aufgezeigt – wir sind sicher im Jahr 2011 wieder am Start!“

sv

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